Am Donnerstag, den 19. Mai, hat in Genua eine Gruppe von Feministinnen einen Sprengsatz unter das Auto des Primars der Gynäkologie und Geburtenabteilung Michele Centonze, von seinen eigenen Ärzten der Vetternwirtschaft und der autoritären Führung seiner Abteilung beschuldigt, allen Frauen, die unter seine Hände geraten sind, bekannt und bei ihnen allen verhasst, platziert.
Die Genossinnen haben einen langen Text zur Motivation dieser Aktion geschrieben, aber alles, was die Zeitungen wiedergegeben haben, ist: „Heute hat eine Zelle von feministischen Genossinnen, die in der Medizin des Kapitals eine der zentralen Waffen der Ausbeutung und der psychisch-körperlichen Zerstörung der Frauen und aller Proletarier ausmacht, den Professor Centonze angegriffen…“ (Corriere della Sera, 21 Mai)
Die feministische Bewegung von Genua (jene die offiziell von den Zeitungen und dem Polizeipräsidium – Corriere della Sera – anerkannt wird) hat diese Initiative scharf angegriffen, indem behauptet wurde, dass diese Art von Aktion nicht zum Repertoire der feministischen Bewegung gehöre, und somit entweder von isolierten Splittergruppen oder gar von männlichen Autonomen ausgehe, es würde sich in jedem Fall um männliche Verhaltensweisen handeln, da gewaltsam. Es ist wahr, dass die Gewalt, wenn sie körperlich zum Ausdruck kommt, bis dato fast ausschließlich das Gebiet der Männer war, weil sie immer schon eine direktere Beziehung zu ihrem Körper hatten und weil der männliche Kodex ihnen auferlegt, hart, aggressiv, gewalttätig zu sein, es ist allerdings auch wahr, dass es sich um den gleichen männlichen Kodex handelt, der uns Frauen auferlegt immer sanft, verfügbar, unterwürfig und passiv zu sein.
Es scheint uns falsch zu behaupten, dass die gewaltsamen Verhaltensweisen der Frauen nicht Teil des Feminismus sein könnten, auch deshalb, weil die feministische Bewegung als Willen zur Untersuchung entstanden ist und als solcher fortbesteht, in andauender Suche nach unseren Ausdrucksformen und nicht nach vorgegebenen Linien. Die offiziellen Organe der Macht (Presse, Parteien und Gruppen) haben diese Verhaltensweisen instrumentalisiert und den Feminismus auf Blümchen, Folklore und Pazifismus reduziert und nur in dieser Form anerkannt, während sie die Existenz einer anderen Strömung im Feminismus negiert haben: die, die mit Gewalt all das angreift, was uns Gewalt zufügt: Die im Krankenhaus und auf der Arbeit erfahrene Gewalt, die Gewalt der ungewollten Schwangerschaftsabbrüche und der klandestinen Abtreibungen, der Kinder, die von Schadstoffen betroffen sind, der Vergewaltiger, die Gewalt gegen Prostituierte, jene der Ehrendelikte, der Familie, der Hausarbeit, des Klerus, des Staates und der Polizei.
Es gibt viele Beispiele unserer Gewalt: die Prozesse gegen Vergewaltiger, die Angriffe auf Gynäkologen, die Angriffe auf Zentren der Schwarzarbeit (Fabriken oder Geschäfte), die Demonstrationen und die Streifen, um uns die Nacht zu nehmen, die Besetzungen von Häusern und Krankenhäusern, die Besetzung des Doms in Mailand. An dieser Stelle kann man nicht mehr von isolierten Splittergruppen oder Aktionen zur Provokation sprechen, sondern von Ausdrucksformen der Bewegung innerhalb einer Debatte, die seit langem stattfindet.
Bis jetzt wurden unser eigenen Gewalt enteignet, weil wir Frauen sind und deshalb die Seelen des Haus, Mütter, Trösterinnen, ergebene Gefährtinnen, Um das Motto des „Auch die andere Wange hinhalten“ umzuwerfen, wollen wir heute auf die Gewalt mit unserer Gewalt antworten. Diese ist nicht nur Rache für die Gewalt, die uns angetan wird, und schon gar nicht ein bloßes Nachahmen der Gewalt der Männer, sondern auch und vor allem die einzige Möglichkeit, um jene Lebensräume, die uns heute mehr denn je verweigert werden, zu erobern, verteidigen sowie zu erhalten und um die männlichen Regeln und Strukturen umzuwerfen und zu treffen.
FÜR DIE KIRCHE UND DEN STAAT
IST FRAUEN ZU TÖTEN KEIN VERBRECHEN
DIE KIRCHE ZU TÖTEN, DEN STAAT ZU TÖTEN
IST FÜR DIE FRAUEN KEIN VERBRECHEN
EINE GRUPPE VON FEMINISTINNEN
(Flugblatt aus Bergamo vom 26. Mai 1977)