Das Subjekt der Bewegung bleibt anderswo. Es verteilt sich auf einen heute schwer zu definierenden Raum, der ebenso wenig auf die muffigen Kategorien der Institutionen, wie auf eines gradualistischen und neoreformistischen Außerparlamentarismus zu reduzieren ist.
Es bleibt anderswo, verschlissen und liederlich. Die Liederlichkeit – eine befriedigende, begreifliche. Neues hervorbringende, interessante Dimension. Aber wie kann man eine Einheit finden, wie Politik machen?
Warum eine Antwort erzwingen?
Wahrscheinlich muss man es klar aussprechen: Die Bewegung hat sich viel weiter entwickelt, als unsere Fähigkeit sie zu begreifen. Die Krise und der Reformismus, die seit undenklichen Zeiten eine gut funktionierende Allianz eingehen (und man sollte uns keine Kabalen vom historischen Kompromiss erzählen, der in Wirklichkeit die bloße institutionalisierende Formulierung einer seit Ewigkeit existierenden Realität darstellt) haben auf die, wie aus einer Flutwelle emporgetauchten, politischen Gesamtzusammenhänge von 68/69 eine zerstörerische Wirkung ausgeübt. Zum einen haben sie sie eingeschlossen in eine neoreformistische, gradualistische und ausgesprochen institutionalisierende Perspektive, zum anderen haben sie sie aufgelöst, in die Situation gebracht, in der sie heute befinden, vor das Problem gestellt, ein Selbstverständnis zu finden, ein Terrain abzustecken, in dem sie sich bewegen.
Aber die Bewegung hat sich viel weiterentwickelt als die „Politik“ und ist vielleicht weit über die alten Probleme von Einheit und Auseinandersetzung hinausgegangen. Sie bewegt sich auf der Ebene radikaler Fremdheit und Verneinung. Dieser Staat ist eine Konfrontation nicht wert, zu gering ist die Sphäre der institutionalisierenden Politik, der Konfrontation mit diesem Staat, im Vergleich zu der vielfältigen und reichen Entwicklung des Subjekts in der Bewegung.
Immer noch unter dem Eindruck des Schreckens, den das Jahr 68 und das unvermutete Auftauchen der „Anderen“, der Autonomen, ausgelöst hat, verbringt die institutionalisierte Politik, deren Wunden langsam zu heilen beginnen, ihre Zeit mit der Verdrängung all dessen, was sich nicht unterordnen will. Die alt-sozialistischen Kategorien der politischen Gruppen, wie die der demokratischen Mitbestimmung, vertreten von Reformismus und der Bourgeoisie, versuchen diesem undefinierbaren Subjekt ein Gesicht zu geben: die Jugendlichen, die Arbeiter, die Studenten, die Frauen, das Subjekt in der Veränderung, unfassbar gestern aufgrund seiner Feindseligkeit, seiner offenen Kampfbereitschaft, heute wegen seines nicht auszumachenden Standorts, seiner Gleichgültigkeit, seines Fremdseins, es muss zu katalogisieren sein, muss einen Namen bekommen, eingereiht werden in irgendwelche Ordnungen.
Ordnung! Denn nur eine Ordnung kann die Leute zur Arbeit bringen.
Liederlichkeit, Zügellosigkeit, Feste
Dies ist die Ebene, auf der, im Gegensatz dazu, die Verhaltensweisen der Jugendlichen, der Arbeiter, Studenten und Frauen Stellung bezogen haben. Und für jene ist das keine Politik, aber es ist unsere Politik, oder wir werden dafür ein anderes Wort einführen. Aneignung und Befreiung des Körpers, kollektive Veränderung der zwischenmenschlichen Beziehungen, das ist der Weg, über den wir heute das Konzept erneuern, gegen die Fabrikarbeit, gegen jegliche Ordnung, die sich auf Veräußerung und Ausbeutung gründet.
Welche Aufgaben kann man erfüllen in der jetzigen Phase institutioneller Regression der organisierten Kräfte, in der Phase sich auflösender Zusammenhänge innerhalb der Bewegung, der Verdrängung des Klassensubjekts und der autonomen Arbeit der politischen Bühne? Die Praxis der kleinen Gruppe ist auf dem Terrain angesiedelt, auf dem die Autonomie Stellung bezogen hat, auf der minimalen Ebene, auf der der Prozess der Auflösung aufgehalten worden ist, ohne jedoch eine terroristische oder mechanische Vereinigung zu projektieren, die heute in abstrakter Weise das alte und falsche Problem der Einheit stellt.
Die Praxis der kleinen Gruppe ist unmittelbar keine Praxis der frontalen Auseinandersetzung. Sie liegt in der Sphäre der Ignoration, des Wo-anders-sein, der Fremdheit. Die kleine Gruppe besitzt ihre Form in Funktion der Vertiefung, der Veränderung und Vergemeinschaftung des Alltags, jedoch nur insofern dies Produkt und Voraussetzung der Errichtung von Machträumen ist (gegen die Arbeit, die Familie, das Elend) Das Problem der Rekomposition ist das Problem des Übergangs vom diffusen und liederlichen Fremdsein zur Wiederbelebung offensiver Lebenspraxis, das Problem neue Instrumente zu schaffen, zur Herauskristallisierung und Vergemeinschaftung des Wunsches. Aber dieses Problem lässt sich nicht an einem isolierten Ort der Organisation lösen, und auch nicht durch abstrakte Diskurse über die Einheit: die Rekomposition findet statt auf dem Terrain dieser Praktiken (Veränderung des Alltags, kollektives Studium, Selbstverständnis, Gewalt, Schreiben) auf dem Terrain einer Praxis, die diesen Abriss quer durchläuft, einer Schreibweise, die den Abriss der Existenz transversal durchläuft, jede spezifische Gestalt, die das Klassensubjekt annehmen kann.
Wir planen also die kleine Gruppe mit multiplizierenden Fähigkeiten, eine Rekomposition der verhindernden Strukturen. Wenn sich ein Kollektiv schon als Wunscheinheit konstituiert, muss es ihm zuerst möglich sein, den Wunsch nach Neuzusammensetzung zum Ausdruck zu bringen. Die Neuzusammensetzung ist kein moralischer Imperativ, kein politisches Dogma, sie ist ein Verlangen der Bewegung; man müsste eine Verhaltensmaschine erfinden, die dieses Verlangen interpretieren kann. Wir versuchen es auf der Ebene des Schreibens. Es gibt keine äußerliche Synthese, aber eine Disponibilität, die verschlungenen Wege dieses Prozess zu ertragen, indem man sich zum praktischen Subjekt der allgemeinen Tendenz macht, auf der Ebene von transversaler Theorie und Schreiben, von Schreiben und Praxis, die Momente miteinander verbindet, der der Tendenz Gestalt geben.
(Aus a/traverso, 1. April 1975)
(Aus P38 und Indianer übernommen)